Nachtrag: Ruta de la Muerte

Zugegeben, ein wenig uebermuetig oder irre muss man wohl sein, um die Strasse des Todes freiwillig zu befahren, aber der Adrinalinschub, der einen erwartet wenn man ueber diese Piste fegt und die Befriedigung, wenn man es am Ende geschafft (ueberlebt 🙂 ) hat, waren fuer mich Anreiz genug, dieses Wagnis einzugehen. Aber der Reihe nach …

Die bolivianische Hauptstadt La Paz ist heute mit den Yungas und dem Amazonastiefland ueber eine gut ausgebaute und asphaltierte Strasse verbunden. Vor einigen Jahren sah dies jedoch noch ganz anders aus. Anstatt der Asphaltstrasse gab es nur eine schmale Schotter- und Lehmpiste, die ueber einen 4600 Meter hohen Pass von La Paz bis nach Coroico (liegt in ca. 1000 Metern Hoehe) fuehrte und ueber die der gesamte Verkehr zwischen Hauptstadt und den Yungas lief. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommenes und der schlechten Strassenverhaeltnisse kam es auf dieser Strasse immer wieder zu schweren Unfaellen, die aufgrund der Oertlichkeit (tiefe Abgruende und keine Strassenbegrenzung) in der Regel toedlich endeten. Im Durchschnitt starb auf diesem relativ kurzen Strassenabschnitt zwischen La Paz und Coroico (ca. 50 Kilometer) jeden Tag ein Mensch, was der Strecke den Beinamen „Ruta de la Muerte“ (Strasse des Todes) einbrachte. Heute wird die alte Ruta de la Muerte, die noch neben der neuen Asphaltstrasse existiert, nur noch von Einheimischen, Mountainbikern und eben einigen Motorradfahrern genutzt.

 Eines schoenen Morgens habe ich mich dann also mal auf die Socken gemacht um diese beruechtigte Ruta selbst zu erkunden. Vorbei an diversen Maut- und Drogenkontrollstellen (in den Yungas wird fleissig Koka angebaut) ging es dann auf der ausgebauten Asphaltstrasse, in Unkenntnis ueber die noch nebenher existierenden alten Ruta de la Muerte, die Anden hinab ins Tiefland. Die Kurven zauberten einem zwar ein Laecheln ins Gesicht, aber von extremen Verhaeltnissen war noch nichts zu spueren, dass einzige was fuer ein wenig Nervenkitzel sorgte war das sonderbare Verhaeltnis bolivianischer Kraftfahrer zu Nebel. Waehrend der durchschnittliche mitteleuropaeische Kraftfahrer beim Herannahen einer Nebelbank saemtliche Hebelchen und Schalter in seinem Fahrzeug betaetigt um mit Licht auf sich aufmerksam zu machen, ist es bei seinem bolivianischen Pendant eher umgekehrt der Fall, man versucht hier, sich im Nebel moeglichst unauffaellig (ohne Licht) seinem Vorderman zu naehern, um ihn dann in Kurven (noch immer im tiefsten Nebel) zu ueberholen. Idealerweise fiel kurz hinter La Paz mein Licht aus und ich konnte bei der Nebeljagd richtig gut mitspielen *schwitz*.

Als sich dann nach einigen Kilometern der Nebel etwas lichtete, war der Blick frei auf eine wirklich tolle Landschaft. Das Braun der Anden wich langsam dem satten Gruen der Yungas und die Temperatur stieg merklich an. Allerdings zogen sich mit jedem Kilometer Asphalt meine Mundwinkel immer weiter nach unten, zugegeben, die Strasse war gut, die Kurven klasse und die Landschaft toll, aber dass kann ich auch in den Alpen haben, wo war denn nun das Abenteuer, das Gefaehrliche an dieser Strasse. Als ich dann nach ca. 90 Kilometern (die neue Strasse ist bedeutend laenger als die alte) in Corioco ankam, war ich zugegeben ziemlich angep… . Als ich auf dem Marktplatz mein Motorrad abstellte, endeckte ich doch tatsachlich ein Schild mit der der Aufschrift „Backstube“. Kurzentschlossen kehrte ich dort ein und waehrend eines guten Essens kam ich mit dem Betreiber, einem deutschen Aussteiger, in Gespraech. Als ich ihm so mein Leid ueber die langweilige Strasse klagte, fragte er mich, wieso ich denn dann nicht die alte, richtige Strasse des Todes gefahren bin. Meine Ohren wuchsen bei diesem Gespraech bestimmt um ein Vielfaches. Als ich dann also erfahren hatte, wie ich zu dieser alten Strasse kommen wuerde, verabschiedete ich mich von dem Wirt, nicht ohne vorher noch zwei Zimtrollen fuer die anstregende Reise zu erwerben (die uebrigens ungemein lecker waren). Als ich dann so zu meinem Moped zuruecktappelte, hatte sich dort bereits eine hollaendische Reisegruppe eingefunden. Der Guide der Truppe gab mir noch ein paar Tipps und fragte mich schliesslich wo meine Begleiter sind. Begleiter? Was fuer Begleiter? Er erklaerte mir daraufhin, dass Anfang des Jahres auch ein Motorradfahrer die Strecke allein angegangen ist und so erst nach zwei Monaten gefunden wurde *schluck*, aber Sylvia wusste ja Bescheid, naja so ungefaehr wenigstens.

Ich folgte also den Hinweisen und zuckelte, langsam kribbelig und aufgeregter werdend, ueber eine Steinstrasse talwaerts der Ruta de la Muerte entgegen und dann gings los.

Eine breite Piste breitet sich vor mir aus und nach einem beherzten Dreh am Gashahn gruben sich die Stollen in die Erde und das Motorrad schob richtig satt voran. Die ersten Kilometer waren Endurospass pur und nur meine Ohren konnten dem breiten Grinsen ein wenig Einhalt gebieten. Vorbei ging es an idyllisch gelgenen Koka-Pflanzungen, durch kleine Bergdoerfer immer weiter in Richtung Himmel.

Jedoch schon kurze Zeit spaeter kam dann das wahre Gesicht der Strasse des Todes zum vorschein. Aus einer breiten Piste wurde ein schmaler, welliger, von Rinnsalen durchzogener  Schotter- und Lehmweg, die sich in steilen Kurven um die Berge schlaengelte. Rechtsseitig ging es meistens so ca. 300-400 Meter in die Tiefe, von Leitplanken oder irgendwelchen Hindernissen, die einen Absturz verhindern koennten weit und breit keine Spur. Weiter ging es, mit etwas gemaessigtem Tempo, durch Gebirgsfluesse, auf glitschigen Erd- und Felspassagen unter Wasserfaellen hindurch immer weiter bergauf. Und ploetzlich war Schluss, ein Baum war auf die Strasse gefallen und blockierte die Weiterfahrt. Aber da man in bolivianischen Breiten auf die Hilfe von Strassenmeistereien vergeblich wartet, muss man eben selbst Hand anlegen. So kam es, dass ich gemeinsam mit anderen Kraftfahrern dem Baum mit Schaufel und Machete zu Leibe rueckte. Waehrend wir also an dem ziemlich grossen und auch ziemlich schmutzigen Haufen Holz, Blattwerk und Erde herumbastelten, kam eine ganze Rotte Moutainbiker samt Versorgungsfahrzeugen des Weges. In ihren neonfarbenen Regenmaentelchen sahen sie aus wie geklonte Zwerge, aber im Gegensatz zu den Zwergen, die ja bekanntermassen recht fleissig sind, kamen diese faulen Fahradfahrer noch nichteinmal auf den Gedanken mit anzufassen, stattdessen standen sie nur im Weg und knipsten mit ihren Kameras wie wildgewordene Japaner in der Gegend herum *grummel*.

Nach einer guten halben Stunde Arbeit, toal verdreckten Motorradsachen und einer vertilgten Zimtschnecke ging es dann endlich weiter, natuerlich nicht ohne vorher den einheimischen Kraftfahrern/-innen Fotomodell gestanden zu haben. 🙂 (1,90 m grosse Blondlinge mit Motorrad sind hier ehern selten) Die nach einigen Metern freier Fahrt folgenden Wasserfaelle und Rinnsaale sorgten wenigstens dafuer, dass man die Farbe der Motorradsachen wieder erahnen konnte. Allerdings nahm jetzt auch mit jedem Hoehenmeter der Nebel wieder zu, was einem noch einen zusaetzlichen Nervenkitzel (wir erinnern uns, schmale glitschige Strasse, tiefer Abgrund, keine Leitplanke) verursachte. Nach einigen Kilometern Schleichfahrt verbesserte sich die Sicht wieder ein wenig und ich konnte die Tour ohne groessere Probleme fortsetzen. Einige Kilometer vor der Hauptstadt muendet die Ruta dann wieder auf die Asphaltstrasse ein und ich fuhr die letzten Kilometer, diesmal mit weit noch oben gezogenen Mundwinkeln und dem Gefuehl, irgendwie etwas Besonderes erlebt zu haben Richtung La Paz.

3 Kommentare zu “Nachtrag: Ruta de la Muerte

  1. Hörnchen

    Ja, das gibt so Sachen, da kribbelts echt und man muß es einfach machen. Gut bei mir ist es bestimmt nicht das Motorradfahren, ich bevorzuge das Tauchen, aber ich kann gut nachvollziehen, wie es dir ging.
    Die Fotos sind ja auch sehr aussagekräftig.
    Hut ab.
    Gruß Claudia

  2. Anne

    Ich bin froh, dass du die Straße zurückblickend beschreibst, wohlbehalten gelandet und sicher sitzend an einem Computer abseits dieser Piste 😉
    LG Anne

  3. K+G

    Hallo Ihr Zwei,

    haben uns riesig über den tollen Bericht von Denny gefreut und sind froh, dass er alles gut übertanden hat. Die Foto´s sind fantastisch!
    Weiterhin gute Fahrt und alles Liebe
    K+G

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